JANA MARIA DOHMANN

PAYBACK – SCHAUFENSTER JUNGE KUNST

10.10.20-21.02.21

Jana Maria Dohmann, Payback, Fotogramm, 2020.

Jana Maria Dohmann, Payback, Fotogramm, 2020.

Die Installation PAYBACK von Jana Maria Dohmann (*1988 in Esslingen / lebt und arbeitet in Berlin und Leipzig) verhandelt den Umgang mit Alltagsobjekten und die Wertzuschreibungen, die Menschen mit ihnen verbinden. Um dies zu diskutieren, greift sie den japanischen Volksglauben an die Tsukumogami als Denkfigur auf. Hier haben Gebrauchs- und Alltagsgegenstände eine Seele und können sich zur Wehr setzen, wenn man sie schlecht behandelt. Die abgelegten Objekte werden zu Hausgeistern, die ihren Besitzer*innen alberne, teils obszöne Streiche spielen, die sich bis ins gewalttätige steigern können. Dohmann überträgt dieses Motiv der Rache der Objekte auf die Schlaghose, die je nach Trend entweder zum Ausdruck modischer Selbstinszenierung erklärt wird oder als untragbar gilt und nur noch als modischer Gag auf der Bad Taste Party funktioniert. Die Schlaghose steht repräsentativ für den Warenfetisch, der einer ständigen Auf- und Abwertung durch die Modeindustrie unterzogen ist.

Die Geschichte der Schlaghose hat ihren Ursprung in der Tradition der Zimmerleute, wurde dann in der Hippie-Kultur zum Ausdruck des Widerspruchs gegen bürgerliche Lebenskonzepte und in den 1990er Jahren von der Technoszene adaptiert, um wiederum auf diese anti-bürgerliche Haltung zu referenzieren. In der Installation PAYBACK schlagen die Hosen nun zurück und treten aus ihrer passiven Rolle heraus. Die Objekte reagieren auf die Besucher*innen, bewegen sich durch den Raum oder geben Laute von sich, die zwischen Zirpen, Knarzen, Heulen, Weinen und Fiepen changieren und so ihren Emotionen Ausdruck verleihen. Trotz der bewusst gesetzten, humoristischen Komponente lässt sich an diesem Kleidungsstück deutlich machen, wie die immer schneller verlaufenden Zyklen der Fast-Fashion Industrie funktionieren und wie Kleidungsstücke symbolisch und persönlich aufgeladen werden.

Das Bild der Tsukumogami lässt sich mit Bruno Latours Ansatz des Parlaments der Dinge in Beziehung setzen. Dieser stellt die These auf, dass die strikte Trennung von Mensch und Ding in Subjekt und Objekt ein Irrtum der Moderne sei. Die Schlaghose und die mit ihr verbundenen Narrative machen deutlich, dass sich die Welt der Menschen und die Welt der Dinge nicht einfach voneinander trennen lassen, sondern verwoben sind. Kleidungsstücke sind Ausdruck sozialer und politischer Zusammenhänge. Die beschriebene Trennung diskutiert Dohmann in PAYBACK, macht die Objekte zu Handlungsskulpturen, verleiht ihnen eine widerständige Stimme und spricht ihnen Autonomie zu.

 

Kurator: Sebastian Schmitt

Objektstimmen: Amelie Baier, Charlotte Kehl, Jana Maria Dohmann

Technik: Maximilian Schweizer & Andrés Arguello

 

Jana Maria Dohmann (*1988 in Esslingen / lebt und arbeitet in Berlin und Leipzig) studierte Kulturarbeit mit Schwerpunkt Kunsttheorie und Kunstvermittlung in Potsdam und aktuell Kulturen des Kuratorischen an der Hochschule für Gestaltung und Buchkunst in Leipzig. Ihr Fokus liegt hierbei auf der Entwicklung und Anwendung performativer Strategien, kollaborativer Praktiken sowie somatischer Forschung im Kontext des Kuratorischen. In ihren Werken setzt sie sich verstärkt mit kulturwissenschaftlichen Fragestellungen und Objektidentitäten auseinander. Ihre Handlungsskulpturen untersuchen, basierend auf poetischen Versuchsanordnungen Überlegungen zu Kollektivität und Zusammenarbeit. Dohmann war mit Performances in Ausstellungen u.a. im Kunstverein Kärnten (2018), in der Galerie KUB Leipzig (2018) und im Museum Kesselhaus Berlin (2017) zu sehen. Zudem interpretierte sie Werke von Tino Sehgal an der Volksbühne Berlin (2017), im Albertinum in Dresden (2016) und begleitete die Documenta 14 in Kassel (2017) als performative Kunstvermittlerin in kritischer, somatischer und dialogischer Praxis.

Die Ausstellungen im SCHAUFENSTER JUNGE KUNST werden durch die Helmut-Fischer Stiftung unterstützt:

Nach oben